Vor mehr als sechzig Jahren ...

1959 lernte ich einen Mann kennen und lieben, dessen Herkunft Pakistan war, der aber in London wohnte. Wir hatten regelmäßige sexuelle Beziehung, die nicht ohne Folge blieb. Ich war ledig und soweit ich weiß, auch er.

Anfang Februar 1960 blieb meine Regelblutung aus; ich wußte, dass das eine Schwangerschaft bedeutete. Sofort teilte ich es ihm mit. Er reagierte gelassen. Zusammen sind wir zu einem ausländischen Arzt gegangen, der öffentlich praktizierte, und mein Freund trug ihm unser Problem vor, dass er das Kind nicht haben wollte. Dieser praktische Arzt vermittelte uns eine Adresse eines anderen Arztes, der die Abtreibung vornehmen sollte. Mein Freund und ich sprachen noch einmal über den Eingriff zu Hause in seiner Wohnung und von dem Geld, das er dafür gespart hatte. Es waren damals 44 englische Pfund Sterling ( ca. 484 DM), die der Arzt verlangt hatte. Plötzlich sagte mein Freund zu mir: "Sollte ich nicht doch lieber einen Kinderwagen und das dazu Gehörende mit diesem Geld finanzieren?" Für einen Augenblick glaubte ich, es wurde noch alles gut werden, aber dann lachte er höhnisch, und ich wußte, dass er sich endgültig gegen sein Kind entschieden hatte. Trotzdem bettelte ich unter Tränen, das Kind nicht abtreiben zu lassen. Er blieb hart und lachte mich nur aus. -
Der gemeinsame Gang zu dem Arzt war sehr sachlich und kühl. Kurz vor dem Haus gab mir mein Freund die 44 englische Pfund Sterling in die Hand und ließ mich allein. Sekunden danach tauchte eine mir unbekannte Frau auf, die mich wortlos in das Haus des Arztes führte. Dieses Haus hatte einen Fahrstuhl. Mir kam die Fahrt ins oberste Stockwerk im Aufzug endlos vor, ich zitterte am ganzen Körper. Dann führte mich diese Frau in eine private Wohnung, wo sie mich einem Mann vorstellte, der sich als Arzt ausgab. Dieser bat mich auf einer Couch Platz zu nehmen und sprach beruhigend auf mich ein. Dann mußte ich den Unterkörper frei machen und mir wurde ein sauberes Handtuch unter das Gesäß gelegt. Die Frau sagte zu mir: „Sie brauchen keine Angst zu haben, ich gebe Ihnen jetzt eine Penicillin-Spritze, damit Sie kein Fieber bekommen." Dann zog der Arzt Handschuhe an und forderte mich auf, im Liegen ganz zu entspannen. Der eigentliche Eingriff erfolgte, manuell per Vaginum, völlig schmerzlos. Das ging alles sehr schnell vor sich, auch die Penicillin-Spritze tat nicht weh. Heute glaube ich, dass der Arzt nur den Schleimpfropfen in der Cervix mit seinen bloßen Fingern, die mich durch seine Handschuhe vor einer möglichen Infektion schützen sollte, entfernt hatte. Dann gab er mir noch 6 kleiner weiße Tabletten , deren Namen er mir nicht verriet, die ich aber am nächsten Morgen alle 2 Stunden einnehmen sollte. Danach übergab ich ihm das vereinbarte Geld und verließ die Wohnung und das Haus mit der Frau, die mich hergebracht hatte.
Am folgenden Tag begann die reinste Tortur für mich. Nach der ersten Einnahme der kleinen weißen Tablette erbrach ich mich. Auch nach der 2. Tablette wiederholte sich diese Qual. Jetzt ging es um Leben oder Tod für uns beide, dachte ich noch, aber ich fühlte mich gezwungen, da ich in der Wohnung meines "Freundes" war und er mich bewachte, die gesamte Anzahl der Tabletten zu schlucken. Nach der 4. Tablette hörte das Erbrechen auf, und ich mußte mich in sein Bett legen. Am späten Nachmittag und unter schrecklichen Schmerzen ging ein 12 Wochen altes Kind ab. Er sage, dass es eine Junge war. Die Beseitigung des abgetriebenen Kindes hat er vorgenommen. Kurze Zeit darauf ist unsere Beziehung zueinander "gestorben". Ich konnte keine Liebe mehr für ihn empfinden. Selbst war ich innerlich tot. Wir trennten uns nach 6 Monaten für immer. Es ist und war vorlaufende Gnade Gottes, dass ich nicht leiblich gestorben bin an den Folgen der "primitiven Abtreibung" und dass ich meine Lehrzeit als Krankenschwester in London beenden konnte, aber immer mit einem schlechten Gewissen. Mit ganzer Hingabe stürzte ich mich in meine Arbeit, aber ich blieb im privaten Bereich unruhig und unglücklich. Dies war die schwerste Zeit meines Lebens, die eine Frau durchmachen konnte. Es würde eine ganzes Buch füllen, wollte ich jetzt alles aufschreiben, was ich verdrängt hatte, bis ich zu Jesus kam und Ihn um Vergebung bat. "